Sonntag, 22. November 2015

Bavaroktatie: Buchrezension zum ''Die Griechenbegeisterung der Bayern unter König Otto I.''

Konstantin Soter Kotsowilis, 
Die Griechenbegeisterung der Bayern unter König Otto I.
Ελληνοφιλία των Βαυαρών.  Όθων Α', Βασιλεύς της Ελλάδος.
München, 
Athen: Selbstverlag 2007. 95 u. 110 S.,
 zahlr. Abb., ISBN 978-3-88006-288-7

von Ekkehard Kraft,

(Südosteuropäische Arbeiten, 90),
173.
München 1992

Mit dem hier zu besprechenden, im Selbstverlag erschienenen Buch will Konstantin Soter Kotsowilis, wiedergewähltes Mitglied des Ausländerbeirats der Stadt München, wie er im Copyright betont, der Kritik an der „Bayernherrschaft“ in Griechenland das Licht neuer Archivquellen entgegensetzen. 

Dabei handelt es sich um einen Text, der erstmals 2004 in der „Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte“ erschienen ist und 2007 in der hier vorliegenden zweisprachigen Fassung veröffentlicht wurde. 

Aus Kotsowilis’ Sicht ist die Geschichte der Regierung Ottos anhand archivalischer Quellen ohnehin noch nicht geschrieben; auch sein Opusculum soll offensichtlich nur einen Anfang darstellen.

Bevor der Leser zum eigentlichen Text gelangt, muss er sich durch ein Konvolut von in Kopie beigefügten Schreiben prominenter und weniger prominenter Zeitgenossen durcharbeiten. 

Diese bedanken sich für die Zusendung eines Sonderdrucks des Aufsatzes, manche mit enthusiastischen Lobeshymnen, andere wiederum mit höflich-lakonischen Empfangsbestätigungen. 

Kotsowilis’ Buch zeigt sich als faktographische und ausgesprochen detailreiche Darstellung von Ottos Werdegang, der Umstände seiner Thronbesteigung, der Ankunft und des Wirkens der Regentschaft sowie der Ministerpräsidentschaft von Ruthards. 


Man erfährt z.B., dass das Regentschaftsmitglied Georg von Maurer 23 Jahre später noch einmal Griechenland besuchte und dabei mit einer goldenen Gedenkmünze, die im griechischen Teil des Bandes abgebildet ist (88), geehrt wurde, ein offensichtlich besonders bedeutsames Ereignis.

 Ein besonderes Anliegen ist es dem Buch, den König betreffende und aus Sicht des Verfassers böswillige Behauptungen anzuprangern. 

So bestreitet Kotsoswilis vehement, dass Otto schwerhörig gewesen sei, ohne indes hierfür überzeugende Beweise vorzulegen. 

Es war nicht nur die dem König missgünstige Athener Presse, die davon sprach, sondern auch etliche Zeitgenossen, die man, wie etwa König Johann von Sachsen,1  wohl nicht als politische Gegner des Königs bezeichnen kann. 

Im Übrigen ist Schwerhörigkeit wahrlich kein ehrenrühriger Makel, den man bestreiten müsste. 
Auch der Vorwurf, Otto sei zeugungsunfähig gewesen, macht Kotsowilis zu schaffen.

 Er hält es ganz im Gegenteil für erwiesen, dass Königin Amalia die Ursache der Kinderlosigkeit des Herrscherpaares war. 

Einmal ganz abgesehen von der Marginalität dieser Frage, ist sie mit endgültiger Sicherheit im Nachhinein ohnehin nicht zu klären, schon allein deshalb, weil es der Medizin des 19. Jh.s im Unterschied zur heutigen an den entsprechenden diagnostischen Möglichkeiten fehlte. 

Vehement verteidigt Kotsowilis den König auch gegen den Vorwurf, er habe die griechische Regierung nicht von seiner Eheschließung in Deutschland unterrichtet (44-47).

Kotsowilis weist mit besonderer Vorliebe anderen Autoren Fehler nach. 

Aber auch in seinem Buch geht es nicht völlig fehlerfrei zu

Der von ihm erwähnte britische Premierminister trug nicht den Doppelvornamen Arthur-Wollesley (9), 
sondern er hieß mit Vornamen Arthur und mit Familiennamen Wellesley
1814 wurde ihm der Titel eines Duke of Wellington verliehen. 

Der osmanische Befehlshaber, der Athen belagerte, hieß Mehmet Reşid Paşa Kütahi;
 Mehmet-Ressit Kioutachi Pascha, wie es bei Kotsowilis heißt (22), ist lediglich die verballhornte griechische Form.

 Das Regentschaftsmitglied Carl-Wilhelm von Heideck war kein Schweizer Staatsbürger (22f.), schlicht und einfach deshalb, weil der Schweizer Bundesstaat erst 1848 gegründet wurde

Wenn der damalige Isarkreis als Vorläufer des späteren (und heutigen) bayerischen Regierungsbezirks Oberbayern (27) und der Unterdonaukreis als Vorläufer des nachmaligen Regierungsbezirks Niederbayern (46) bezeichnet werden, dann trifft dies im Großen und Ganzen zwar zu, hier wird aber der falsche Eindruck erweckt, es habe sich lediglich um eine Umbenennung ohne jede territoriale Veränderung gehandelt, was nicht der Fall war. 

Gleiches gilt auch für den Obermainkreis (52) als Vorläufer des Regierungsbezirks Oberfranken.

 Zwischen den Seiten 78 und 97 des griechischen Teils sind zahlreiche Abbildungen versammelt, die das Herrscherpaar, dessen Eltern, Mitglieder der Regentschaft und weitere bayerische Beamte, die in Griechenland wirkten, darstellen. 

Auf den Seiten 94 und 95 sind vier Vertreter des öffentlichen Lebens Griechenlands im 19. Jh. abgebildet, denen ganz offensichtlich aufgrunddessen, dass sie lobende Worte über Otto fanden bzw. später bereuten, den König einst kritisiert zu haben, die Ehre der Aufnahme in diese Bildergalerie zuteil wurde. 

Angefügt sind auch noch drei Bilder, die offensichtlich die deutsch-griechische bzw. bayerisch-griechische Verbundenheit demonstrieren sollen. 

So sieht man die Regierungschefs Papagos und Adenauer im Gespräch sowie die damaligen obersten Repräsentanten Griechenlands und Bayerns, Stefanopulos und Stoiber, wie sie vor einer Büste Ottos I. posieren.

Weshalb auch Panagiotis Kanellopulos, der im April 1967 durch den Militärputsch gestürzte Ministerpräsident, hier mit einem Foto vertreten ist, lässt sich nicht leicht erschließen; 
der Rezensent vermutet, wegen seiner Studien an mehreren deutschen Universitäten. 

An eine – Kotsowilis möglicherweise nicht bekannte – bittere Ironie der Geschichte sei angesichts des Bildes des 1834 als Kriegsminister in Griechenland fungierenden Georg Wilhelm von Le Suire (Kotsowilis schreibt ihn Lesuire) erinnert: 

Ein anderer Le Suire, der Gebirgsjägergeneral Karl Hans Maximilian, war der Hauptverantwortliche für das Massaker von Kalavryta 1943, bei dem über 1 200 Zivilisten getötet wurden

Nach der Lektüre der gut 60 Seiten – von vorne oder von hinten, d.h. in deutscher oder griechischer Fassung – bleibt der Leser etwas ratlos zurück. 

Von einer Gesamtschau von Ottos Wirken in Griechenland kann keine Rede sein, beschränkt sich Kotsowilis doch weitgehend auf das knappe erste Jahrzehnt der Herrschaft des Wittelsbachers.

 Die weitere Entwicklung, wie die Erhebung 1843 und die nachfolgende Einführung der ersten Verfassung, bleibt weitgehend ausgeblendet, und damit auch jeglicher Hinweis auf Ottos absolutistisches Gebaren, das maßgeblich zu dieser Erhebung führte. 

Lediglich die Klage des Autors über die ungerechte Behandlung des Monarchen, der 1862 des Throns verlustig ging, berührt die Endphase.

Immerhin: 
Man erfährt doch hin und wieder etwas, wovon in anderen Publikationen kaum die Rede ist. 

So weist Kotsowilis auf die bayerischen Anleihen an den griechischen Staat hin, die in den meisten Darstellungen der griechischen Staatsfinanzen unerwähnt bleiben. 

Da Ludwig I. diesen Kredit Griechenland auf verfassungswidrige Weise zukommen ließ, musste er nach seiner Abdankung auch selbst dafür haften.

Das waren noch Zeiten! 

Bismarck sorgte 1881 dafür, dass Griechenland den Kredit an jenen Enkel Ludwigs zurückzahlte, der die Forderung geerbt hatte.

Dossenheim                                                  Ekkehard Kraft


1. Siehe hierzu mehr bei Gunnar Hering, Die politischen Parteien in Griechenland 1821-1936.


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