Freitag, 20. November 2015

Bavarokratie: Buchvorstellung ''Die Griechenbegeisterung der Bayern unter König Otto I.'' von der 'Süddeutsche Zeitung'.

Süddeutsche von 2./3. Juni 2007

König Otto - oft verkannt
Neue erschlossene Quellen über das Wirken
des Bayern auf Griechenlands Thron

von Franz Freisieder
Das griechische Abenteuer des bayerischen Königshauses in den Jahren 1832 bis 1862 fand bislang eine eher einseitige Beurteilung.

Die ausgewerteten Quellen waren in der Überzahl dazu angetan, das Scheitern des ersten griechischen Königs, des Wittelsbachers Otto, ihm persönlich und der in seinem Namen herrschenden „Bavarokratie" zuzuschreiben.



In seinem Buch 'Die Griechenbegeisterung der Bayern unter König Otto I.'  zweisprachig in einem Band vorgelegt, kommt der griechische Historiker Konstantin Sot. Kotsowilis im Licht neu erschlossenen Archivmaterials zu einem wesentlich differenzierteren Urteil.

Wahr ist, so resümiert der Autor:

Sowohl Otto wie auch seine bayerische Administration schufen erst einmal dadurch Unzufriedenheit, dass sie nur einige der Mitkämpfer im Unabhängigkeitskrieg als Offiziere und Soldaten ins reguläre Heer übernahmen.


Aus den enttäuschten Übrigen  dem Zivilleben entwöhnt, schlossen sie sich zum Teil sogar in Räuberbanden zusammen wuchs eine Oppositionsbewegung die immer wieder tatsächliche oder vermeintliche Missstände suchte, um den König und seine Administration anzugreifen.
Auf die Beurteilung dieser politischen Gegner und deren Sprachrohre der damaligen Oppositionsblätter, stützte sich jedoch die bisherige Forschung allzu einseitig.

Auch Kotsowilis geht Fehlern Ottos und seiner Regierung nicht aus dem Weg.

Ein Beispiel die rigoros-undiplomatische Weise, in der eine Art griechische Säkularisation vollstreckt wurde - wenn auch zu einem sinnvollen Zweck 412 von 593 Männerklöstern, die weniger als jeweils sieben Mönche aufwiesen, und 15 von 18 Frauenklöstern wurden aufgelöst.

Das Vermögen aus Verkauf und Verpachtung diente der im Argen liegenden Besoldung der Lehrer und des Pfarrklerus, der Anmietung von Schulräumen und der Gewährung von Stipendien.

Zitate aus einer Fülle von Dokumenten belegen den Philhellenismus Ottos und seiner Griechenland-Helfer voran des Philologen Professor Dr. Friedrich Thiersch, des Architekten Leo von Klenze und des Hofbankiers Simon Freiherr von Eichthal.

So kam etwa der junge König und Sohn Ludwigs I. schon in seinem Münchner Heiratsvertrag von 1836 von sich aus den Hoffnungen der orthodoxen Griechen entgegen, indem er - eine Bulle von Papst Gregor ignorierend – für alle seine künftigen Kinder die Erziehung im „Griechischen Glaubensbekenntnis" festlegte.

Seiner Einstellung folgten mehrere aus Bayern stammende Begleiter, die Griechinnen geheiratet hatten und ließen ihre Kinder griechisch orthodox taufen.

Selbst namhafte frühere Opponenten Ottos bekannten sich nach dessen Sturz zu ihrer gewandelten Gesinnung.

So erklärte der ehemalige Präsident der Nationalversammlung und Innenminister aus Ägion Ioannis Messinesis 1874 vor dem griechischen Parlament:


Die Eltern König Ottos I. von Griechenland:
Ludwig I. (reg. 1825 - 1848) und Therese v. Bayern 
(Kotsowilis, 2007, Seite 78 ) 
„Wir schulden der erhabenen königlichen Familie Bayerns
 - und Otto I. gehörte ihr an
unendliche Dankbarkeit
denn sie hat am meisten getan 
für die Errichtung und
 den Fortschritt 
unseres geliebten Vaterlandes.“ 

Das erste Königspaar des neueren Griechenlands:
Otto und Amalia, 1837 während der Schwangerschaft
(Kotsowilis, 2007, Seite 82 )
Konstantin Sot. Kotsowilis:
 „Die Griechenbegeisterung der Bayern unter König Otto I.",


Allgäuer Zeitungsverlag, 
240 Seiten,
36 Bilder,
zweisprachig,
ISBN 978-3-88006-288-7,
29,60 Euro.

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